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KW03 - Viscum album

Streuobstwiesen gehören nicht nur zum prägenden Landschaftsbild unserer Region. Sie haben auch Auswirkungen auf unsere Natur- und Artenvielfalt. Mit über 5.000 Tier- und Pflanzenarten gehören Streuobstwiesen zu den artenreichsten Lebensräumen. Kein Wunder, bestehen die grünen Wiesen und knorrigen Bäumen doch aus einer Vielzahl an Mikrohabitaten. Was dem ungeschulten Betrachter oft als unordentlich oder ungepflegt daherkommt, ist in Wirklichkeit ein Puzzle aus Lebensräumen für Vögel, Säugetiere und Insekten. Zu keiner anderen Jahreszeit können wir unserer Streuobstwiesen so genau begutachten wie jetzt. Ohne das grüne Blätterwerk wird der Blick dann auch auf einen immergrünen Gast frei: Die Mistel (Viscum album). Wer an einem der vielen Obstbaumstreifen vorbei spaziert, wird nicht nur eine oder zwei erspähen können. Nein, fast kaum mehr einen Baum ist ohne Sie. Dabei ist die Mistel meistens sehr wählerisch. Eichen oder Buchen werden von ihr nicht bevölkert. Zu den Glücklichen Gastgebern gehören Apfelbäumen, Pappeln, Linden, Robinien oder Ahorn.

Sind die Gastgeber wirklich so glücklich?

Das kommt wohl drauf an. Generell gilt: Einem gesunden Baum kann eine Mistel nichts anhaben. Anders sieht es bei Bäumen aus, die schon etwas schwächer sind. Ob durch Alter, Dürre oder Schädlingsbefall. Die Misteln leben als Halbschmarotzerpflanzen, sie entziehen ihrem unfreiwilligen Wirt so Wasser und Nährstoffe. Vermehrt sich die Mistel hier jetzt explosionsartig, kann dies für den Baum zu einem wirklichen Problem werden, denn mit ihren Wurzeln dringt die Mistel in die Leitbahnen der Wirtbäume und kann so bis zu 30 Prozent des Nährstoffbedarfs für sich abführen. Die Folge: Früchte werden weniger ausgebaut, die Lebenszeit verkürzt sich und der Baum als gesamtes leidet. Vor allem Streuobstwiesen die nicht regelmäßig gepflegt werden trifft dieses Schicksal.

KW3 2022

Bruno Schneider, Kolpingfamilie Obererbach

Aber kann ich da etwas tun?

Bruno Schneider, Vorsitzender der Kolpingfamilie Obererbach, klärt auf: „Das Gerücht, Misteln ständen unter Naturschutz, hält sich hartnäckig. Ist allerdings falsch. Ganz im Gegenteil, oft können Sie zum Problem werden. Die trockenen Sommer in Verbindung mit dem Mistelbefall, der den Bäumen weitere Nährstoffe entzieht, führt immer mehr zum Absterben der Bäume und einer noch weiter ausgeräumten Landschaft.“ Die Kolpingfamilie Obererbach hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, die Obstbäume zu unterstützen. Jährlich kommen so ca. 15-20 m3 gesammelte Misteln zusammen. Wer jetzt vor Schreck vom Stuhl fällt: Keine Angst. Durch die teils sehr milden Winter, wachsen die Misteln um einiges schneller nach als man sie entnehmen kann. Und genau hier liegt das Problem, regionale Apfelsorten wie z.B. der Westerwälder Grünapfel oder das Hameldeinchen haben der Halbschmarotzerpflanze nicht viel entgegenzubringen und gehen so verloren. Die Bedeutung der Streuobstwiesen ist im Laufe der Zeit für die Gesellschaft immer weiter in den Hintergrund getreten. Wer pflückt seine Äpfel schon noch vom eigenen Baum? Mit ihren Dellen, Macken und Flecken passen diese nicht mehr in unser Bild vom perfekten Apfel. Der Nachteil dieser Einstellung? Seltene oder regionale Baumbestände auf Streuobstwiesen werden sich selbst überlassen. Die Pflege vernachlässigt. Zum Glück können wir da etwas tun! Neben der Pflege eigener Bäume im Garten kann sich an den verschiedenen Streuobstwiesen-Projekten engagieren. Bruno Schneider macht`s vor. Für unser Landschaft, für Regionalität und für eine hohe Artenvielfalt.

(Klimaschutzteam VG Wallmerod - Ausgabe 25)